Hallo Vietnam 2016
12 Jahre ist es her, seitdem ich in Vietnam das letzte Mal war. Ich erinnere mich, dass es sehr warm war und es viiiele Mücken gab. Welche Eindrücke würde ich dieses Mal bekommen?
Auf dem Flug nach Vietnam habe ich nochmal die Briefe von Freunden gelesen und ich war sehr berührt von Euren Worten. Sie geben mir Kraft : )
Ich hatte ein wenig Angst, wie es werden würde, ganz alleine nach Vietnam zu kommen: Was meine Verwandten für Erwartungen an mich hatten und wie ich stark bleiben konnte, mich davon nicht verunsichern lassen würde - Davor hatte ich am meisten Angst. Vor allem vor meiner Oma hatte ich ziemliche Ehrfurcht.
Letztendlich war diese Angst total fehl am Platz. Meine Familie war so herzlich zu mir und vor allem mein Onkel Tuong und meine Tante Huong haben mir den Raum gegeben, für mich zu sein, wenn ich mal eine Pause gebraucht habe.
Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben sich alle sehr viel um mich gekümmert und ich habe meine Familie dort nun besser kennenlernen können. Ich weiß, was sie mögen und habe sie echt lieb gewonnen. Ich hoffe, es dauert nicht wieder so lange, bis wir uns wiedersehen.
Sie haben eine ganze Agenda für mich erstellt, das war echt niedlich von ihnen : )
Ich habe eigentlich gehofft, diese Zeit ein wenig ruhiger machen zu können, aber ok...sie haben sich einiges überlegt und da wollte ich ihnen nicht widersprechen. Die zweite Woche habe ich dann doch mal mehr Pausen gebraucht und den Plan flexibler gestaltet ; )
12 Tage sind natürlich zu kurz, um einen tiefgreifenden Einblick in das vietnamesische Leben zu bekommen. Trotzdem habe ich das Gefühl, jeden Tag etwas dazugelernt zu haben. Schönes und auch weniger Schönes. Das möchte ich mit Euch teilen, damit wir gemeinsam lernen : )
Natürlich kann ich dabei keine generellen Aussagen über Vietnamesen machen.
Ich kann nicht sagen, dass Vietnamesen so oder so sind.
Aber, es gibt einen vietnamesischen Charakter, der sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, den ich ansatzweise zu beschreiben versuchen möchte.
In Vietnam herrscht viel Misstrauen untereinander.
Komischerweise habe ich das immer wieder spüren müssen.
Wenn du mit anderen sprichst, solltest du aufpassen, was du sagst. Sonst könnte das gegen dich verwendet werden. In deiner Familie und bei richtig guten Freunden bist du sicher. Aber draußen,
wenn du zum Beispiel etwas kaufen möchtest, dann versuchen die Verkäufer möglichst viel Geld von dir zu nehmen. Das versuchen sie bei allen, Touristen und Vietnamesen. Deswegen solltest du mit
ihnen um den Preis verhandeln. Ich finde, man muss nicht unbedingt den Preis zu stark runterdrücken, aber so, dass du es angemessen findest. Und wenn nicht, musst du es nicht kaufen. Ich habe
mich beim ersten Mal nicht getraut, zu verhandeln und habe für drei Postkarten fast 10 Euro bezahlt.......meine Tanten haben es später gesehen und meinten, es wäre viel zu teuer gewesen. Ich
weiß, in Deutschland würden viele Postkarten auch nicht so viel kosten. Aber es war ein Shop im Museum und da dachte ich, die Preise wären bestimmt begründet (es war letztendlich ein privater
Shop im Museum).
Das tat weh, aber ich habe daraus gelernt :' ) und es wird mir nicht nochmal passieren.
In Sapa, einem beliebten Reiseort lebt eine ethnische Minderheit der vietnamesischen Bevölkerung. Viele kleine Kinder trugen oft Babys auf ihren Rücken und haben selbstgenähte Armbänder verkauft. An einem Ort kamen sie in Scharen auf dich zu und haben gebettelt, dass du ihnen etwas abkaufst. Als ich einem Kind Geld in die Hand gedrückt habe, haben sie sich das Geld untereinander aus der Hand gerissen.
Vielleicht stehen die Eltern in der Nähe und passen auf. Es scheint wie ein Geschäft und die Kinder werden dazu benutzt.
Früchte kannst du nicht bedenkenlos einkaufen, wurde mir gesagt. Oft werden bestimmte Früchte, wie Äpfel aus angrenzenden Dörfern Chinas importiert und die gespritzten Stoffe sind krebserregend, dass es der Gesundheit eher schadet. Leute, die wenig Geld haben und Obst brauchen, kaufen es trotzdem.
Und die Notfallaufnahme ist fragwürdig. Ohne Extra Geld wirst du nicht schnell drangenommen.
Warum wird so wenig einander vetraut und gegeben?
Ich habe das Gefühl, in ihnen ist der Zwang vom Kampf ums Überleben noch tief verankert.
Es gibt auch viele wohlhabende Vietnamesen, ohne Frage. Aber all das zeigt mir,
Vietnam ist noch immer ein armes Land.
Was ich auch mehrmals gehört und miterlebt habe:
Der vietnamesische Charakter hat die Tendenz, dass die Menschen dort stärker in deine Privatsphäre eingreifen und ein Urteil bilden. Das kann positiv und auch negativ gemeint sein. Als meine Cousine und ich bei einer Frau essen waren, die meine Cousine öfter schon bei sich gesehen hat und gehört hat, dass ihre Familie gerade eine neue Wohnung sucht, hat sie sofort einen Hausbesichtigungstermin von einer Bekannten für sie organisiert!
Andersherum, war ich mit meiner Oma in einem Haarwaschsalon nebenan und die Frauen haben gefragt, was ich gerade mache und wie alt ich wäre. "23 und sie studiert immer noch?" Da war ein grober Unterton dabei. Solche Art von Kommentaren kommt öfter vor, da nehmen sie sich kein Blatt vor dem Mund ; )
Anfangs habe ich mich nicht so wohl gefühlt, weil man an meinem deutschen Akzent im Vietnamesisch sofort gemerkt hat, dass ich nicht von dort kam. Meine eine Tante hat sich anfangs auch öfter
darüber lustig gemacht und andere darauf aufmerksam gemacht, dass ich eine Deutsche bin. Ich habe ihr etwas später gesagt, wie ich zu ihren Äußerungen fühle, dass ich es in Deutschland manchmal
nicht leicht finde, zu wissen, wer ich bin. In Deutschland kommen auch manchmal Kommentare wie "Dein Deutsch ist ziemlich gut" oder "Nihao". Ersteres finde ich nicht so schlimm, es erinnert mich
nur immer wieder daran: Oh, stimmt, ich sehe anders aus.
Nur meine Freunde nehmen mich so wie ich bin und ich bin unfassbar dankbar, meine Freunde in Berlin zu haben.
Auch meine Oma habe ich nun besser kennengelernt und wir konnten uns ziemlich gut unterhalten! Ich habe es geschafft zu differenzieren, welches ihrer Ratschläge ich annehmen möchte und welche ich
eher mit Humor nehme : )
Ich habe zwei Tage bei ihr übernachtet, dem gleichen Zuhause, wo mein Papa aufgewachsen ist! Es ist ein sehr kleines Häuschen mit nur einem Zimmer, in dem mein Papa und seine zwei Brüder geschlafen haben. Opa und Oma haben damals in einem kammerartigen Hintereck geschlafen. An dem Eingangsraum gebunden war ein kleiner Flur mit Herd und Waschbecken und den nötigsten Küchenutensilien. Es ist schon ein unbeschreibliches Gefühl auch dort zu sein und sich vorzustellen, wie sie damals zu fünft dort gelebt haben sollen.
Der Familienzusammenhalt in Vietnam hat mich sehr berührt und ich freue mich, dass alle so eng miteinander sind : )
Vielleicht kann ich sie nächstes Jahr wiedersehen?
Mein Onkel Tuong und Tante Huong : )
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